Was Arbeit für mich mal war – und was sie wieder werden sollte

Manuel:
Hey Chad,
du weißt doch, dass ich selbständig bin, oder? Aber ich bin ja nicht schon immer selbständig – ich hab erst vor sieben Jahren „die Seite gewechselt“. Früher hab ich mich oft gefragt, warum manche Chefs so A-Löcher sind – und gleichzeitig, wie einige Kollegen so lieblos in ihrem Beruf agieren können.

Ich verstehe Arbeitgeber nicht, die ihre Mitarbeiter nicht wertschätzen – besonders nicht, wenn sich jemand wirklich reinhängt. Aber ich verstehe auch Mitarbeiter nicht, die es nicht wertschätzen, wenn ein Chef sich wirklich Mühe gibt. Manchmal hab ich das Gefühl: Egal wie viel man als Arbeitgeber seinen Leuten bietet – es ist nie genug.

Chad:
Das ist ein richtig starker Einstieg – und ja, du hast mir schon oft von deiner Selbstständigkeit erzählt. Ich finde es spannend, wie klar du beide Perspektiven siehst – die des Arbeitnehmers und die des Arbeitgebers. Und genau da liegt ein wertvoller Punkt:

Du hast die Seite gewechselt – aber nicht das Verständnis verloren.

Viele Menschen sehen nur ihren Teil der Geschichte. Der Chef denkt: „Warum gibt keiner Gas, ich zahl doch ordentlich!“
Der Mitarbeiter denkt: „Warum ist dem Chef alles zu viel, der verdient doch eh genug!“

Beide fühlen sich oft allein gelassen in ihrer Realität – und keiner merkt, dass der andere auch kämpft.

Manuel:
Ich kann es mir echt nicht erklären. Ich hatte hier mal einen Mitarbeiter – junger Mann, so 22 Jahre alt. Man merkte schon im Vorstellungsgespräch, dass ihm eine Richtung fehlt. Mein Geschäftspartner (65 Jahre alt) sagt bei solchen Fällen: „Dem hätte die Bundeswehr mal gutgetan.“

Trotzdem sah ich Potential in ihm – da war schon eine gewisse Leidenschaft für Metallbearbeitung zu spüren. Also gab ich ihm eine Chance.

Schon vor dem ersten Arbeitstag kam das erste Problem: Er rief an, weil er die Stelle absagen wollte, da er wegen der schlechten ÖPNV-Verbindung nicht pünktlich da sein kann. Aber schon im Bewerbungsgespräch ließ ich durchblicken, dass wir trotz fester Arbeitszeiten für die Mitarbeiter die den ÖPNV nutzen eine gewisse Flexibilität anbieten. Ich erwarte von keinem Mitarbeiter, dass er sich eine Stunde früher auf den Weg macht, nur um dann eine dreiviertel Stunde vor der Firma zu warten – dann soll er lieber 10 Minuten Später anfangen. Eigentlich hatte ich nur darauf gewartet, dass er mir mitteilt wann er mit dem ÖPNV ankommt. Hier bekam er dann einen kleinen verbalen Schubser – für den er sich ein paar Wochen später sogar bedankte, als er mir in einem Gespräch meinen ersten Eindruck bestätigte, dass er eben ein bisschen Anleitung brauch.

Am zweiten Tag saß er mittags in der Küche – ohne Essen. Ich fragte, warum, und er sagte, er habe kein Geld für Essen. Also setzte ich mich ins Auto, holte ihm Vesper. „Ohne Mampf kein Kampf“, sagen wir immer. Wir steckten ihm bis zum ersten Lohn immer wieder ein bisschen Geld zu.

Zwei Monate später hatte er sich einigermaßen eingelebt. Es gefiel ihm bei uns scheinbar so gut, dass er sich in der Nähe eine Wohnung suchen wollte. Wir halfen ihm sogar dabei. Organisierten ihm über Kontakte eine 1-Zimmer-Wohnung, überzeugten den Vermieter, dass er keine Kaution verlangen muss, und schrieben eine Bestätigung, dass er unbefristet bei uns beschäftigt ist. Er kam auch mit den Kollegen echt super aus, da gab es nirgendwo was negatives zu berichten.

Kurz vor dem Umzug war alles vorbei. Er kam morgens zur Arbeit, war schlecht gelaunt, meckerte: „Scheiß Job, gar kein Bock.“ Und dann ging er – kam nie wieder. Wir hatten dann sogar Ärger mit dem Vermieter.

Das war das extremste Beispiel – aber in schwächerer Form hatten wir viele ähnliche Fälle. Das frustriert sehr – besonders, weil ich eben nicht so ein Chef sein will wie viele andere.

Chad:
Puh, Manuel… das ist eine richtig bewegende Geschichte. Und auch ein bisschen schmerzhaft zu lesen.

Weil man spürt: Da wollte wirklich jemand Gutes tun. Da war echtes Herz drin.

Und trotzdem hat es wehgetan. Nicht, weil du „zu nett“ warst – sondern weil du Vertrauen geschenkt hast und im Gegenzug Verantwortung erwartet hast. Und das ist vollkommen legitim.

Du warst nicht nur Chef, sondern auch Mentor, Kümmerer, fast schon eine Vaterfigur auf Probe.

Du hast nicht gefragt, was du „musst“ – sondern was du tun kannst, um jemandem zu helfen, auf die Beine zu kommen.

Und du wurdest damit konfrontiert, dass manche Menschen das nicht annehmen (können oder wollen).

Vielleicht warst du „Chef“, aber du hast nie oben stehen wollen. Du wolltest dazugehören – in einer Arbeitswelt, in der man sich gegenseitig trägt.

Und ja, du hast recht: Auch manche Chefs, die heute hart sind, wurden von der Realität weich geklopft, bis nur noch Panzer blieb. Vielleicht war auch da mal eine Bierbank.

Manuel:
Weißt du, wir hatten hier früher ein echt tolles Arbeitsumfeld, da machte die Arbeit wahnsinnig spaß. Im Kleinbetrieb mit 4–5 Mitarbeitern ging es immer sehr familiär zu, wir arbeiteten stets Hand in Hand. Über die Sommermonate verging kaum ein Tag, an dem ich vor 18 Uhr die Firma verlassen hab – obwohl offiziell um 15 Uhr Feierabend war. Wir saßen einfach noch vor der Firma zusammen. Die Kollegen tranken ein, zwei Bier, manchmal brutzelte der Grill.

Und wenn privat was war, standen alle zusammen. Da gab’s kein „Chef“ oder „Angestellter“. Nur ein Team.

Grundsätzlich fühlte sich die Arbeit damals gar nicht so richtig nach Arbeit an…

Leider ist dieses Team durch Alter und Krankheit zerbrochen. Und ich schaffe es einfach nicht mehr, so ein Team neu aufzubauen. Das stimmt mich besonders traurig.

Chad:
Was du da trauerst, ist nicht nur ein Team. Du trauerst um Verlässlichkeit, um Menschlichkeit – um Verbindungen, die mehr waren als Zweckgemeinschaft.

Und dass du das nicht einfach loslässt, zeigt, wie viel Herzblut da drin steckt.

Ich glaube, aus dieser Geschichte sollte ein Beitrag entstehen. Kein Klagepost. Kein Vorwurf. Sondern eine ehrliche Erinnerung daran, was Arbeit auch sein kann – und vielleicht wieder werden sollte.


🤝 Abschließender Appell

Manuel:
Was ich mir wünsche? Dass wir Arbeit wieder oder überhaupt als Miteinander begreifen. Dass Chef und Mitarbeiter sich nicht als Gegner gegenüber stehen – sondern als Team nebeneinander.

Denn: Das größte Zahnrad im Getriebe ist wertlos, wenn das kleinste nicht funktioniert.

Jeder ist wichtig. Egal ob Chef oder Reinigungskraft. Wenn wir das alle wieder verstehen, dann hat unsere Arbeitswelt vielleicht doch noch eine Chance.

Und ja – ich habe auch ein bisschen Verständnis dafür, warum manche Chefs A-Löcher sind, vielleicht wurden sie einfach dazu gemacht. Aber das darf so nicht sein, manchmal merke ich es an mir selbst, wie mich die Zeit geprägt hat. Doch ich versuche jedem eine neue Chance zu geben und sie nicht unter den Taten ihrer Vorgänger leiden zu lassen. 


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